Kein Mord wie jeder andere by Karin Köster

Autor:Karin Köster
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-944257-89-1
Herausgeber: Hallenberger Media UG (haftungsbeschränkt), Schardt Verlag e.K.
veröffentlicht: 2013-03-07T05:00:00+00:00

10

Als ich zu Hause ankam, war es halb elf. Eine gute Zeit, um aktiv zu werden. Ich schüttelte die orangefarbenen Gummistiefel, die Knuths verstorbener Mutter gehört hatten, von den Füßen und warf meine Handtasche aufs Sofa. Barfuß tappte ich Richtung Küche und kam dabei am Telephon vorbei. Der Anrufbeantworter blinkte. Die Stimme auf dem Band klang heiser und war nicht viel mehr als ein Flüstern.

„Frau Millers, hier ist Madita Wünsche. Ich ... ich wollte Ihnen sagen, dass mir sehr leid tut, was heute im Büro passiert ist. Es ist Herr Löding, also, er ...“ Frau Wünsche räusperte sich und sprach dann so leise, dass ich sie kaum noch verstehen konnte. „Ich rate Ihnen: Suchen Sie sich lieber eine andere Arbeit. Frau Honnef, meine verstorbene Kollegin, hatte vorgehabt zu kündigen. Sie hat es mir ganz im Vertrauen gesagt, niemand wusste etwas davon. An dem Tag, als sie starb, wollte sie kündigen. Irgendetwas ist faul ...“ Ihre Stimme brach, und kurz danach ertönte der Besetztton. Sie hatte aufgelegt.

Ich griff zum Hörer. Bei Millers junior klingelte es nur zweimal, dann wurde abgehoben. Ruth war dran.

„Martha, ist irgendetwas passiert?“ fragte sie bestürzt. „Du bist doch hoffentlich nicht krank? Sonst rufst du nie an.“ Sie hatte recht. Regelmäßig erkundigte sie sich nach meinem Befinden, und ich meldete mich so gut wie nie bei ihr. Jetzt war jedoch nicht die Zeit für schlechtes Gewissen.

„Ist Bernd da?“ fragte ich.

Ruth zögerte kurz, bevor sie antwortete. „Nein, er ist mit Heiko Krawisch zum Angeln. Warum fragst du?“ Ihr musste mein Anruf wirklich sonderbar vorkommen.

„Um diese Zeit? Es ist stockdunkel.“

„Nachtangeln – im Dunkeln beißen die Fische besser, sagt Bernd. Jetzt will ich aber endlich wissen, was los ist!“

„Nichts Weltbewegendes, mach dir keine Gedanken“, sagte ich in beruhigendem Ton. „Ich wollte Bernd nur erzählen, dass ich heute Werner Rosenkranz getroffen habe, der war in der Grundschule in Bernds Klasse. Er lässt schön grüßen.“

Ruth war baff, sie brachte keinen Piep mehr heraus.

„Nun ja, wenn er nicht da ist, kann man nichts machen. Er bleibt wohl die ganze Nacht weg?“ fragte ich scheinheilig.

Endlich hatte sie ihre Sprache zurückgewonnen. „Keine Ahnung, wann er wiederkommt. Und du bist wirklich sicher, dass bei dir alles in Ordnung ist? Soll ich vorbeikommen? Ich fahre sofort los.“

Um Gottes willen, nur das nicht!

„Nein, nein, das lass mal bleiben. Ich bin gleich weg – eine Hausbewohnerin veranstaltet ein Mitternachtsbuffet. Ich wollte vorher nur die Grüße loswerden, bevor ich’s noch vergesse.“

Ruth schien nicht restlos überzeugt. „Na, wie du meinst ... Aber wenn irgendetwas ist, dann rufst du an, ja? Ich wünsche dir viel Spaß beim Buffet. Prima, dass du endlich Anschluss gefunden hast.“

Als ich auflegte, plagten mich dann doch Gewissensbisse. In den vergangenen Tagen hatte ich gelogen, was das Zeug hielt. Und nun belog ich auch noch meine eigene Familie – schlimmer ging’s nun wirklich nicht mehr! Ich nahm mir fest vor, am Sonntag zur Kirche zu gehen. Die hatte ich in diesem Jahr noch nicht von innen gesehen.

Die Abenteuerlust kribbelte auf meiner Haut wie eine Horde Ameisen – ich war nicht mehr zu halten.

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